Serbien gewann die IBCA – Team – Schacheuropameisterschaft.

Deutschland belegte einen guten 5. Rang.

Olaf Dobierzin und Gerhard Dyballa erkämpften Brettmedaillen

von Gerhard Dyballa, Pressewart des DBSB

 

Die 3. IBCA (International Braille Chess Association) – Team - Europameisterschaft der Blinden und Sehbehinderten fand vom 19. bis 30. April 2023 in Genua statt. Wir waren im Tower-Genova Airport Hotel untergebracht, das direkt am Flughafen gelegen ist. Die Spielbedingungen Im Hotel waren für die Teilnehmer hervorragend.

 

An diesem Turnier nahmen 14 Teams teil, die zum europäischen Schachverband gehören. Dazu zählte wie in allen anderen Sportarten auch Israel. Eigentlich waren 16 Mannschaften angemeldet, doch Litauen und Ungarn meldeten sich kurzfristig ab. Für die deutsche Mannschaft begann das Turnier unter schwierigen Umständen. Der Berichterstatter Gerhard Dyballa erfuhr erst zehn Tage vorher, dass er für einen verhinderten Spieler einspringen solle. Einen Tag vor Beginn der Meisterschaft konnte unser 2. Brett Rene Adiyaman aus Krankheitsgründen nicht nach Genua anreisen. Wir hofften auf sein Erscheinen, aber er war bis zum Ende der Veranstaltung krank ausgeblieben.

Runde 1

 

Deutschland bezwang in der 1. Runde Italien mit 2,5:1.5. Nachdem Frank Schellmann ein Remis gegen den etwa gleichstarken Präsidenten des italienischen Schachverbandes, Bersan Vrioni, erspielen konnte, steuerte Olaf Dobierzin ein weiteres Remis bei. In der Folge gewann Mirko Eichstaedt nach einem langen Kampf gegen Italiens Teamkapitän Marco Casadei in Zeitnot eine Qualität und damit die Partie. Dadurch entschloss ich mich  trotz besserer Stellung auf „Nummer sicher“ zu gehen und bot meiner Gegnerin ein Remis an, das sie sofort annahm.

 

In der Auftaktrunde gewannen alle Favoriten, nur Spanien gegen Frankreich und Bulgarien gegen Kroatien spielten 2:2 unentschieden.

 

Runde 2

 

In der 2. Runde traten wir gegen den aktuellen Weltmeister Polen an. Nach drei Remisen besiegelte Mirko Eichstaedts Niederlage das 2,5:1,5 für Polen. Er kämpfte gegen den auf 1. Ranglistenplatz gesetzten Großmeister Marcin Tazbir (Elo 2503) und unterlag nach einem langen und harten Kampf. Eichstaedt erspielte ein ausgeglichenes Turmendspiel, das er aber in Zeitnot nicht halten konnte.

 

Serbien schlug überraschend sehr hoch 3,5:0,5 die Ukraine und gewann wie Polen seinen zweiten Mannschaftskampf. Nur diese zwei Mannschaften verbuchten zwei Siege nach zwei Runden.

 

Runde 3

 

Nach einem langen und spannenden Kampf musste sich Deutschland in der 3. Runde gegen Israel mit einem Unentschieden begnügen. Zuerst siegte Olaf Dobierzin. Sein Gegner stellte im Mittelspiel einen Springer ein und gab sofort die Partie auf. Dann einigten sich Frank Schellmann und der Berichterstatter mit ihren Gegnern auf die Punkteteilungen. Mirko Eichstaedt versuchte sehr lange gegen den FM Alexey Streltsov seine schwierige Stellung zu halten. In einem Leichtfigurenendspiel verlor er einen Bauern und gab nach 85 Zügen die Partie auf. 

 

In dieser Runde kam es zu zwei Spitzenpaarungen. Polen spielte 2:2 gegen Serbien und Spanien gewann knapp mit 2,5:1,5 gegen die Ukraine.

 

Runde 4

 

Deutschland trennte sich in der 4. Runde mit einem 2:2 Unentschieden gegen das schwächer eingeschätzte Slowenien. Mirko Eichstaedt machte mit seinem Gegner kurzen Prozess. In der Eröffnung gewann er eine Qualität und dann schnell auch die Partie. Frank Schellmann verpasste in Zeitnot die Möglichkeit eines Bauerngewinns und das Spiel endete mir einem Remis. Die Bretter 3 und 4 kämpften sehr lange. Meine Partie wurde in der Eröffnung lange unterbrochen, da es ein Verständigungsproblem gab, was zur Folge hatte, dass wir beide dachten, die Partie gewonnen zu haben. Dann machte ich einige ungenaue Züge und stand mit zwei Minusbauern auf Verlust. Mein Gegner spielte einige schwächere Züge und ich konnte im Doppelturmendspiel ein Dauerschach finden. Olaf Dobierzin verlor in Zeitnot ein remisliches Endspiel und unser Kampf gegen Slowenien endete mit einem 2:2.

 

Es war ein Tag voller Überraschungen: Polen verlor sensationell gegen Bulgarien mit 1,5: 2,5 und Serbien spielte gegen Spanien 2:2 unentschieden.

 

Runde 5

 

Deutschlands 3:1 Sieg gegen die Mannschaft aus Rumänien in der 5. Runde war verdient. Nachdem Frank Schellmann und Olaf Dobierzin sich mit ihren Gegnern den Punkt geteilt hatten, gewann Mirko Eichstaedt eine interessante Partie. Er bekam im Mittelspiel einen kleinen Vorteil, den er zum Sieg ummünzen konnte.

Ich griff meinen Gegner auf dem Damenflügel an, eroberte dort seinen Springer und nachdem seine Dame geschlagen werden sollte, gab mein Gegner die Partie auf.

 

Runde 6

 

In der 6. Runde mussten wir eine unglückliche Niederlage mit 1:3 gegen die Ukraine hinnehmen. Mirko Eichstaedt erreichte gegen den gleichstarken Vladislav Kolpakov nach der Eröffnung eine ausgeglichene Stellung und gab sich mit der Punkteteilung zufrieden. Olaf Dobierzin spielte gegen die mehrmalige Frauenweltmeisterin Lubov Zsiltzova-Lisenko, die wie immer sehr schnell agierte. Dobierzin gewann einen Bauern und stand besser, musste sich aber in seiner Zeitnot mit einem Unentschieden zufrieden geben.

 

Nach der Niederlage von Frank Schellmann wurde der Mannschaftskampf am Brett 4 entschieden. Gegen den spielstarken Ivan Yatsishin, der noch bei der Weltmeisterschaft in Ohrid auf dem 4. Brett die Goldmedaille erkämpft hatte, stand ich  schon in der Eröffnung nach nur 18 Zügen auf Gewinn. Statt einfache Gewinnzüge zu spielen, schob ich einen Bauern nach vorne, tauschte die Schwerfiguren und landete in einem schwer zu spielenden Springerendspiel. In einer unklaren Stellung gewann ich zwar einen Springer für zwei Randbauern, konnte die Partie nicht halten und gab sie nach 65 Zügen auf.

 

Polen besiegte Spanien mit 3:1 und stand nach sechs Runden zusammen mit Serbien mit 9 Punkten an der Tabellenspitze.

 

Runde 7

 

Gegen den späteren Europameister Serbien verloren wir in der 7. Runde ebenfalls mit 1:3. Frank Schellmann spielte eine interessante Partie, in der er die Remismöglichkeit übersehen hatte und die Partie verlor. Auch in der Partie von Olaf Dobierzin entstand eine komplizierte Stellung, die in beiderseitiger Zeitnot zu einem Unentschieden führte.

 

Ich bekam nach der Eröffnung eine ausgeglichene Stellung, machte dann einige ungenaue Züge und verlor das Turmendspiel. Mirko Eichstaedt konnte einen Mehrbauern nicht verwerten.

 

Nach dieser Runde wurde Deutschland mit den erzielten sechs Mannschaftspunkten auf den 9. Platz durchgereicht und stand nur noch mit einem Punkt vor der Mannschaft aus Nordmazedonien, die den vorletzten Rang belegte.

 

 

Runde 8

 

In der vorletzten 8. Runde wurde der Kosovo mit 3,5:0,5 von uns geschlagen. Olaf Dobierzin bekam nach einer halben Stunde einen freien Tag, da sein Gegner nicht zur Partie erschienen war. Frank Schellmanns Gegner opferte schon in der Eröffnung einen Bauern und griff wild an. Schellmann konnte sich aber behaupten und verwertete seinen Materialvorteil zum Sieg. Ich griff auf dem Damenflügel an, wo ich einen Freibauern bekam. Nach einer späteren Damenumwandlung gab mein Gegner die Partie auf. Mirko Eichstaedt kämpfte sehr lange gegen den starken Muhamet Asilani bis zu „nackten“ Königen.

 

Runde 9

 

In der letzten Runde wurde Kroatien mit 3,5:0,5 bezwungen. Am 4. Brett kannte ich mich besser als mein kroatischer Gegner in der Eröffnung aus und verbuchte schnell den ersten vollen Punkt auf dem Mannschaftskonto. Nach einem Unentschieden von Olaf Dobierzin gewannen Mirko Eichstaedt und Frank Schellmann ihre Partien. Eichstaedt war zwar mit einem leichten Nachteil aus der Eröffnungsphase rausgekommen, konnte die Partie aber nicht nur ausgleichen, sondern sogar in vorteilhafter Stellung eine Leichtfigur erobern. Schellmann überspielte seinen Gegner, gewann zwei Bauern und in einem Doppelturmendspiel die Partie.

 

Es gab noch zwei Überraschungen: Bulgarien spielte nur Remis gegen den Kosovo, verschaffte dadurch dem Kosovo den ersten Mannschaftspunkt und Italien erkämpfte ein 2:2 Unentschieden gegen Israel, das auf den siebten Platz abrutschte. Damit stand Deutschland am Ende anderthalb Brettpunkte vor Bulgarien mit zehn Mannschaftspunkten auf dem 5. Platz. Die ersten vier Plätze belegten Serbien, Polen, die Ukraine und Spanien.

 

Wir waren auf der Rangliste auf Platz 4 gesetzt, aber spielen nach dem Fehlen von Adiyaman ersatzgeschwächt. Nach unserem schwachen Start mit vier Mannschaftspunkten aus vier Spielen und den zwei unglücklichen Niederlagen gegen die Ukraine und Serbien waren wir mit dem 5. Platz sehr zufrieden. 

 

Bei der Siegerehrung verbesserte sich unsere Laune. Olaf Dobierzin erkämpfte am 4. Brett die Silber- und ich am Ersatzbrett die Bronzemedaille.

 

Der Bundestrainer des DBSB Wilfried Bode bereitete einzeln die Spieler auf die Partien vor, analysierte diese mit ihnen und stand jederzeit mit guten Ratschlägen zur Verfügung. Auch die Begleiterinnen hatten ihren Anteil an unserem Spiel. Luise Schellmann, Jana Eichstaedt und Elisabeth Dyballa betreuten uns herzlich und gingen stets auf unsere Wünsche ein.

Endstand nach 9. Runden

 

Rg.

 

Team

 

Wtg1 

 Wtg2 

 

1

 

Serbien

 

6

3

0

15

25,5

 

2

 

Polen

 

6

2

1

14

23,5

 

3

 

Ukraine

 

6

1

2

13

23

 

4

 

Spanien

 

5

3

1

13

21

 

5

 

Deutschland

 

4

2

3

10

20

 

6

 

Bulgarien

 

3

4

2

10

18,5

 

7

 

Israel

 

3

3

3

9

17,5

 

8

 

Slowenien

 

4

1

4

9

16,5

 

9

 

Rumänien

 

4

0

5

8

17,5

 

10

 

Italien

 

2

3

4

7

18,5

 

11

 

Frankreich

 

1

5

3

7

15

 

12

 

Nordmazedonien

 

1

3

5

5

14,5

 

13

 

Kroatien

 

1

3

5

5

13,5

 

14

 

Kosovo

 

0

1

8

1

7,5

 

Anmerkung:
Wtg1: Matchpunkte (2, 1, 0)
Wtg2: Brettpunkte